Genossenschaft 2.0
Die Brauerei Frastanz definiert 114 Jahre nach ihrer Gründung die Organisationsform einer Genossenschaft neu – und öffnet sich als erste Brauerei Österreichs zu einer echten „Volksbrauerei“. 1.000 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger erhalten die einmalige Chance, Anteile an der Brauerei zu zeichnen und so Sitz und Stimme in der alljährlichen Generalversammlung zu erhalten. Die bisherigen rund 100 Eigentümerinnen und Eigentümer der Brauerei, überwiegend Wirte und Gastronomen aus der Region, haben sich getreu dem ursprünglichen Leitgedanken uneigennützig dazu bereit erklärt, ihren Besitz auf 1.000 Freunde und Sympathisanten der Brauerei aufzuteilen. „Bereits im Jahre 1902 wollte unser Gründungsvater Martin Reisch ein Zeichen setzen, von dem Generationen profitieren. Wir haben diesen Gedanken aufgegriffen und neu interpretiert – und werden mit der Genossenschaft 2.0 zu einer Brauerei aus und für die Bevölkerung“, erklärt Obmann Lothar Gallaun. Ein knapp zweijähriger Organisationsentwicklungsprozess mit neuen Satzungen und einem Beschluss in der Generalversammlung waren Basis dieser Entwicklung.
Eigenständigkeit wird zementiert
Die Anzahl neuer Eigentümerinnen und Eigentümer der Brauerei Frastanz ist auf 1.000 limitiert. 1 Anteil ist für 500 Euro erhältlich, pro Person können zum Zwecke einer möglichst breiten Streuung maximal 10 Anteile gezeichnet werden. „Ziel ist es, möglichst viele neue Eigentümerinnen und Eigentümer zu begeistern. Wir gehen von durchschnittlich 2 Anteilen pro Mitglied aus“, so Aufsichtsratsvorsitzender Walter Fritz. Das Genossenschaftsrecht schließe zugleich aus, dass es zu unverhältnismäßig vielen Anteilszeichnungen außerhalb der Region komme. Denn: Anteile werden de facto nur in Vorarlberg, sprich im Tätigkeitsbereich der Brauerei, ausgeben. „Jede und jeder Interessierte muss einen Antrag stellen, der vom Vorstand auch ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden kann“, erklärt Fritz. Mit diesem Sicherheitsnetz wolle man gewährleisten, dass die Brauerei der Bezeichnung „Volksbrauerei“ auch gerecht werde. Zugleich hat die neue Eigentümer-Struktur einen weiteren Vorteil: „Wir zementieren mit 1.000 Genossenschafterinnen und Genossenschaftern die Eigenständigkeit der Brauerei für die Zukunft. Ein Verkauf an einen Konzern ist so de facto ausgeschlossen“, freut sich Obmann Gallaun über die gestärkten Strukturen.
Gutes Bier statt Dividende
Anders als bei einer Aktiengesellschaft werden bei der Brauerei Frastanz eGen. jedoch keine Dividende ausbezahlt. Stattdessen erhält jede Eigentümerin und jeder Eigentümer Sitz und Stimme in der Generalversammlung. Hinzu kommt, dass die Genossenschafterinnen und Genossenschafter eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der unterschiedlichen Bier-Sorten innehaben: Produkte werden verkostet, besprochen – und gegebenenfalls verbessert. Die Eigentümerinnen und Eigentümer sind zudem beim alljährlichen Bockbierfest ganz vorne mit dabei. „Ziel der Öffnung ist es, nachhaltig gutes und regionales Bier zu fördern. Deshalb haben wir uns ganz bewusst für die Ausrichtung der Genossenschaft auf Freunde und Sympathisanten entschieden“, erklärt der stv. Brauerei-Obmann Martin Koch, dessen Urgroßeltern zu den Gründern der Brauerei zählten.
Der Antrag auf Anteilszeichnung kann direkt bei der Brauerei Frastanz ausgefüllt und abgegeben werden. „Wir gehen davon aus, dass alle Anteile bis Ende des Jahres vergeben sind. Es lohnt sich also, schnell zu sein“, so Koch.
5 Millionen Euro für neues Sudhaus und neuen Gärkeller
Das dadurch neu gewonnene Kapital fließt unmittelbar in die Brauerei zurück. Das Unternehmen wird im denkmalgeschützten Brauerei-Gebäude bis Ende 2017 bzw. Anfang 2018 ein neues Sudhaus und einen neuen Gärkeller realisieren. Die Produktionskapazitäten werden deutlich erhöht und damit ist die Brauerei für die Fortsetzung der erfolgreichen Entwicklung der vergangenen Jahre optimal gerüstet. Das neue Sudhaus und der neue Gärkeller sind im Budget mit einer Investitionssumme von bis zu 5 Millionen Euro veranschlagt.
Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert
Diese Investitionsmaßnahmen sind logische Folge der dynamischen Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts. So hat das Unternehmen alleine in den vergangenen drei Jahren knapp vier Millionen Euro in die Modernisierung der Brauerei investiert – darunter in einen neuen Flaschenfüller, Lagertanks, in den Fuhrpark, in das Lager- und Servicegebäude und in die Infrastruktur, um konkrete Beispiele hervorzuheben. „Wir haben als Marke Frastanzer deutlich an Wert zugelegt und werden österreichweit zunehmend als Spezialitätenbrauerei wahrgenommen“, freut sich Geschäftsführer Kurt Michelini, MSc. über den erfolgreich eingeschlagenen Weg. Ein Weg, der auch in den Zahlen einen deutlich positiven Eindruck hinterlässt. So konnte der Umsatz im vergangenen Jahr auf 8 Millionen Euro (+6 Prozent) gesteigert, das Ergebnis gar von 125.000 auf 250.000 Euro verdoppelt werden. „Wir haben intensiv an der Verjüngung der Brauerei gearbeitet. Neben der erfolgreichen Marken-Strategie der ‚Drei Schwestern’ hat auch ‚s’klenne’ maßgeblich Anteil an diesem Erfolg“, erklärt Michelini. Das erst vor sechs Jahren eingeführte Produkt hat sich zum wichtigsten und populärsten Bier der Brauerei entwickelt.
Hervorragend nachgefragt werden auch die Bio-Biere – die derzeit einzigen in Vorarlberg. Als eine der österreichweit wenigen Brauereien habe man ein Großteil des Sortiments bereits auf Bio umgestellt. „Das Hauptproblem für eine vollständige Umstellung ist die Verfügbarkeit der Rohstoffe – allen voran Hopfen aus ökologischer Landwirtschaft“, erklärt der Brauerei-Geschäftsführer. Man suche derzeit nach Möglichkeiten, größere Mengen an Bio-Hopfen zu sichern.
Die Brauerei Frastanz beschäftigt 40 Mitarbeiter und fokussiert seinen Vertrieb mit einem Marktanteil von 12 Prozent fast ausschließlich auf Vorarlberg. In den vergangenen fünf Jahren konnte der Bierausstoß um 25 Prozent auf 40.000 Hektoliter bzw. 4 Millionen Liter gesteigert werden.